Am 10. Mai 2025 versammelten sich auf dem Jenaer Holzmarkt über 150 Menschen zur ersten LiegendDemo in Thüringen. In Solidarität mit der bundesweiten Aktionen rund um den ME-Awareness-Day. Im Liegen wurde für mehr Pflege, Forschung und politisches Engagement für ME demonstriert. Die Initiative „LiegendDemo Thüringen“ machte damit sichtbar, was oft unsichtbar bleibt.
Viele der Betroffenen sind so schwer krank, dass sie das Bett nicht mehr verlassen können. Sie zeigten ihre Präsenz durch Schilder auf Decken und Isomatten. Bilder dieses stillen Protestes wurden auch in der Ostthüringer Zeitung (OTZ) dokumentiert in der Fotostrecke „Appell der Erkrankten: Zehn Bilder von der LiegendDemo in Jena“
Katrin Göring-Eckardt (MdB, Bündnis 90/Die Grünen) war als Rednerin vor Ort. Ein deutliches Zeichen politischer Solidarität. Auf X (ehemals Twitter) schrieb sie: „Jena und ganz Deutschland legt sich hin – und setzt bei der @LiegendDemo ein Zeichen für mehr Pflege, Forschung und Engagement für ME/CFS.“
Neben Göring‑Eckardt trugen auch Mitglieder der #LiegendDemo Thüringen und Betroffene selbst Redebeiträge vor, die bereits im Vorfeld auf der Website unter „Stimmen von Betroffenen“ veröffentlicht wurden.
„Wir machen deutlich, dass wir da sind – auch wenn wir liegen müssen. Sichtbarkeit ist unser erster Schritt.“
Infostand
Es gab zur LiegendDemo auf dem Holzmarkt ebenfalls ein Infostand, der von engagierten Angehörigen und einigen mild betroffenen ME-Patienten betreut wurde. Immer wieder blieben Passanten stehen – viele zunächst aus Neugier, weil sie auf dem Weg zur Straßenbahn wissen wollten, was diese besondere Form der Demonstration bedeutet. Es kamen aber auch zahlreiche Betroffene, die gezielt nach Ansprechpartnern und Hilfen fragten, etwa: „An welche Selbsthilfegruppe kann ich mich wenden?“ oder „Welche Petitionen kann ich unterschreiben?“.
Am Stand lagen stellvertretend für viele verschiedene Organisationen Informationsmaterialien aus. Darunter vom ME-Hilfe e.V., Fatigatio e.V., der Deutschen Gesellschaft für ME/CFS (DGME), „NichtGenesenKids“ (NGK) und weiteren Initiativen. So konnten wir ein breites Spektrum an Flyern und Kontakten anbieten. Die Resonanz zeigte deutlich: Dieser Infostand war ein zentraler Anlaufpunkt, der Menschen miteinander vernetzte und viel Aufklärungsarbeit leistete. Für kommende Aktionen wissen wir: Er ist unverzichtbar.
Mollys ME/CFS Song mit eindrücklichen Bildern von der LiegendDemo 2025 in Jena
Beiträge aus der Community der LiegendDemo Thüringen
Auch wer nicht körperlich dabei sein kann, wird symbolisch vertreten.
„Wir erstellen Schilder, die wir stellvertretend für dich auf Decken oder Isomatten legen.“
Zwei bewegende Lieder von Molly – Musik, die uns verbindet
Kurz nach der LiegendDemo in Jena hat Molly, selbst betroffen, zwei eindrucksvolle Lieder veröffentlicht – geschrieben für die ME-Community, um sichtbar zu machen, was Worte allein oft nicht ausdrücken können. Die Songs heißen„Was du nicht siehst“ und „Mama, was ist das?“ und wurden mit viel Gefühl komponiert und mithilfe von KI arrangiert.
Die Songs stehen kostenlos zum Download auf Mollys Webseite bereit und dürfen frei geteilt oder verwendet werden – etwa auf Demos, in Awareness-Reels oder privaten Videos. Auch für andere Projekte rund um ME/CFS oder LongCovid dürfen sie genutzt werden, ohne Nennung des Urhebers.
Du kannst sie auf YouTube (im Podcast-Kanal „Leben‑mit‑ME-CFS“), auf Instagram unter @Tee_mit_Molly , bei Spotify, Amazon Music und anderen Streaming-Diensten hören, teilen und liken.
„Musik die uns sichtbar macht.“ „Entstanden nach der ersten LiegendDemo in Jena. Getragen von Adrenalin, Hoffnung und Verbundenheit.“
Molly(schwer Betroffene)
Kurzzusammenfassung
Datum & Ort: 10. Mai 2025, Holzmarkt Jena
Beteiligung: Über 150 liegend demonstrierende Menschen
Ziel: Forderung nach mehr Forschung, Anerkennung und Versorgung für ME
Programm: Lesungen, Redebeiträge, Musik, politische Unterstützung durch Göring-Eckardt
Mediale Wahrnehmung: Visuelle starke Berichterstattung in der OTZ, Reichweite durch emotional bewegende Bilder
Inklusive Umsetzung: Symbolische Beteiligung für bettlägerige Erkrankte mit Schildern auf Decken bzw. Isomatten
Filmvorführung „Unrest“ & Podiumsgespräch während des Weimarer Kunstfestes
»WE CANNOT IGNORE ME/CFS«
Die Veranstaltung thematisiert eine humanitäre Katastrophe: Geringe Lebensqualität, Isolation bis zum Verschwinden aus der Gesellschaft und unterfinanzierte Forschung – das sind die Schlagworte, die derzeit vor allem für die Krankheit Myalgische Enzephalomyelitis/Chronisches Fatigue Syndrom (ME/CFS) stehen.
Im Frühjahr 2025 haben wir ein Zeichen gesetzt: Über 15.000 Plakate wurden deutschlandweit aufgehängt und verteilt, um auf die schwere, neuroimmunologische Multisystemerkrankung ME aufmerksam zu machen. Was eigentlich Aufgabe der Bundesregierung wäre – eine umfassende Aufklärungskampagne – haben Betroffene und Angehörige selbst übernommen. Bis heute gibt es keine staatliche Informationsinitiative, obwohl der Handlungsbedarf seit Jahren bekannt ist.
Die Organisation dieser bundesweiten Aktion lag in den Händen von Menschen, die selbst an ME erkrankt sind oder Angehörige von Erkrankten sind. Die meisten von ihnen sind so schwer betroffen, dass sie ihr Zuhause kaum oder gar nicht verlassen können. Trotzdem haben sie von ihren Betten und Sofas aus Sponsoren gefunden, Plakate gestaltet, Druckereien beauftragt, Logistik geplant und Plakatierer koordiniert.
Die Plakate informieren klar und unmissverständlich über ME und die dramatische Versorgungslage. Sie sind an Bahnhöfen, auf Litfaßsäulen, in Kinos, Bussen, Apotheken und vielen weiteren öffentlichen Flächenin ganz Deutschland zu sehen.
Wir stellen die Vorlagen auch zum Herunterladen bereit. Wichtig: Wer Plakate selbst ausdrucken und aufhängen möchte, muss vorher sicherstellen, dass dies am jeweiligen Ort ausdrücklich erlaubt ist. Nur so können wir verhindern, dass die Aktion durch unzulässige Platzierungen in Misskredit gerät.
Mit dieser Plakatkampagne wollen wir zeigen, dass wir gemeinsam etwas bewegen können. Sichtbarkeit ist der erste Schritt, um Vorurteile abzubauen, Missverständnisse zu beenden und den Weg zu einer besseren Versorgung zu ebnen.
AltenburgJena Woellnitzer Str. Ecke Friedrich Engels Str. (gegenüber Adolf-Reichwein-Gymnasium)Hauptbahnhof Frankfurt am Main Gleis 2
Infostand der LiegendDemo Thüringen bei der Gesundheitsministerkonferenz in Weimar
Während der 98. Gesundheitsministerkonferenz im Juni 2025 in Weimar war die LiegendDemo Thüringen mit einem Infostand direkt vor dem Hotel Elefant präsent. Dort, wo die Ministerinnen und Minister tagten. Unser Ziel: ME endlich in den Fokus der Gesundheitspolitik rücken.
Bereits im Vorfeld hatten wir ein ausführliches Informationsschreiben an alle Gesundheitsminister gesendet. Darin wiesen wir auf die dramatische Versorgungslage hin, forderten konkrete Maßnahmen zur Umsetzung des Koalitionsvertrages und unterstrichen die Notwendigkeit von Aufklärung, Forschung, Kompetenzzentren und sozialrechtlicher Anerkennung von ME.
Am Infostand selbst waren wir – trotz eigener gesundheitlicher Einschränkungen – für Fragen, sowohl für die anwesenden politischen Entscheidungsträger als auch für interessierte Passanten, da. Wie bei unseren anderen Aktionen auch, hatten wir Steckbriefe von schwer und schwerstbetroffenen Kinder und Erwachsenen ausgestellt, die selbst nicht demonstrieren können. Dies machte wieder sichtbar, wie viele Betroffene ans Haus oder Bett gebunden sind und dennoch dringend eine Stimme brauchen.
Diese Aktion war ein weiterer Schritt, um ME sichtbar zu machen – direkt dort, wo politische Entscheidungen getroffen werden.
Unser Dank gilt allen, die mitgeholfen haben, diesen Infostand möglich zu machen, und allen, die stehen geblieben sind, um zuzuhören, Fragen zu stellen und sich zu informieren. Für zusätzliche Reichweite und Sichtbarkeit hat Molly auch zu dieser Aktion wieder ein Instagram Reel erstellt und geteilt – zu finden unter @tee_mit_molly. Vielen Dank dafür!
Info-Stand an der Uniklinik Jena 2025
Am 10. und 11. Juni fand der 29. Selbsthilfetag in der Magistrale des Universitätsklinikums Jena (UKJ) statt. Zahlreiche Selbsthilfegruppen präsentierten sich an Informationsständen und boten Beratungsgespräche an. Wir waren gemeinsam mit der Borreliose- und der Fibromyalgie-Selbsthilfegruppe aus Jena vertreten.
Teilnahme am Selbsthilfetag: Long-X-Jena & Fibromyalgie
Charlotte und Carola aus der Fibromyalgie-Gruppe nehmen gelegentlich auch an den Treffen der Long-X-Jena-Selbsthilfegruppe teil. Dadurch konnte Stefan, der Vertreter von Long-X-Jena, den Infostand der Fibromyalgie-Gruppe mitnutzen – eine ideale Gelegenheit, Synergien zu schaffen und gleichzeitig auf unsere Anliegen zu ME aufmerksam zu machen.
Long-X-Jena ist eine Selbsthilfegruppe für Menschen mit postinfektiösen oder persistierenden Verläufen. Die Symptome von Long-/Post-Covid, Post-Vac, Post-Borreliose und anderen postinflammatorischen Erkrankungen ähneln häufig denen der Fibromyalgie. Diese chronischen Verläufe können schlussendlich alle in ME/CFS münden.
Der Selbsthilfetag hat uns erneut verdeutlicht, wie eng die Belange der einzelnen Betroffenengruppen miteinander verknüpft sind und wie wichtig Austausch und Vernetzung für alle Beteiligten sind.
LiegendDemo zur FrauentagsDemo in Jena 2025
Am 8. März 2025 waren wir Teil der Demo und Kundgebung zum Internationalen Frauentag in Jena. Auf Einladung von @8m_jena konnten wir mit einer LiegendDemo-Installation und einem bewegenden Redebeitrag auf die strukturelle Unsichtbarmachung und Gewalt hinweisen, von der ME-Betroffene und pflegende Angehörige betroffen sind.
Der Beitrag stammt von Lilian, einer schwerbetroffenen an ME-Erkrankten aus Jena, die selbst nicht vor Ort sein konnte. Über viele Tage hinweg hat sie ihre Gedanken per Sprachnachrichten mit ihrer Freundin Henrike geteilt. Aus diesen Botschaften entstand eine Rede, die Henrike stellvertretend für Lilian – und für uns alle – auf der Bühne hielt.
Statt Menschen lagen auf unseren Isomatten personalisierte Schilder und Kuscheltiere. Sie standen für diejenigen, die zu krank sind, um draußen zu demonstrieren – Erwachsene ABER auch KINDER, die ans Bett gefesselt sind, mit Isolation leben und jeden Tag um ihr Überleben oder das ihrer Kinder, Partner und Freunde kämpfen.
Wir danken Lilian und Henrike von Herzen für diesen wertvollen Beitrag zur Öffentlichkeitsarbeit und allen, die uns an diesem Tag unterstützt haben. Lasst uns gemeinsam weiterkämpfen, ME sichtbar zu machen, Vorurteile abzubauen und Diskriminierung unsichtbarer Behinderungen zu beenden.
Lilians Rede
Hallo, ich bin Lilian und ich habe ME/CFS. Ich bin von der Initiative Liegenddemo, dieser Beitrag ist aber meine persönliche Perspektive. “Wir kämpfen, wir streiken, wir leben” ist in diesem Jahr das Motto vom 8. März. Ich habe viel darüber nachgedacht, was das für mich bedeuten kann. Wenn ich im Folgenden manchmal auch “Wir” sage, meine ich damit mich und andere Menschen, die von ME/CFS betroffen sind. Für die ich natürlich nicht alle sprechen kann. Ein paar von ihnen liegen symbolisch auf den Isomatten, die wir hier auf dem Platz ausgelegt haben, vielleicht habt ihr sie schon bemerkt. Dass wir nicht einmal selbst hier liegen können, macht euch vielleicht klar, wie es uns geht.
ME/CFS steht für Myalgische Enzephalomyelitis und Chronisches Fatigue Syndrom. Dieser Begriff bezeichnet eine schwere neuroimmunologische Erkrankung, die oft zu einem hohen Grad körperlicher Behinderung führt. Ein charakteristisches Symptom für ME/CFS ist die Post-Exertionelle Malaise, kurz PEM. PEM zu haben heißt, dass sich all unsere Krankheitssymptome nach geringsten körperlichen oder geistigen Anstrengungen krass verstärken – ein Wort dafür ist crash. Heftige Schwäche, starke Muskelschmerzen, stärkste Grippesymptome. Außerdem haben wir Herz-Kreislauf-Probleme, massive Schlafstörungen und – brain fog: neurokognitive Symptome wie Konzentrations-, Merk- und Wortfindungsstörungen – nicht mehr denken können. Und vieles mehr. [1]
Demonstration in Jena zum 08. März 2025
Von dieser Erkrankung sind weltweit ca. 17 Millionen Menschen betroffen. In Deutschland waren es vor der Covid-19-Pandemie 250.000. Seitdem hat sich die Zahl wahrscheinlich mindestens verdoppelt. Wir sind alle sehr unterschiedlich von ME/CFS betroffen. Was uns aber allen gemeinsam ist.
Wir kämpfenjeden Tag. Aber fast alle unsere Kämpfe bleiben unsichtbar. Ich zum Beispiel kämpfe täglich, um mir die Zähne zu putzen. Ich kämpfe, um fünf Minuten aufrecht zu sitzen. Mich zehn Minuten lang zu unterhalten. Ich ertrage kein Licht, keine Geräusche. Ich liege zuhause im Bett, wo mich kaum jemand sieht. Bevor ich dafür kämpfen kann, vom Gesundheitssystem versorgt zu sein, strukturell und öffentlich Anerkennung zu bekommen, muss ich dafür kämpfen, einen klaren Gedanken zu fassen – in welcher Gesellschaft macht es einen Unterschied, dass ich kämpfe? Wem würde es auffallen, wenn ich damit aufhöre?
Wie kann ich streiken, wenn kaum etwas übrig ist, das ich prinzipiell tun, das ich also auch lassen könnte? Wen interessiert es, wenn wir streiken? Wenn die einzigen Möglichkeiten zu streiken sind: nicht mehr essen, nicht mehr trinken. Oder Suizid. [2] Oder Sterbehilfe in Anspruch nehmen, was perfiderweise oft noch einfacher ist als Therapie zu kriegen.
Denn man könnte meinen, es sind Forschung und Gesundheitssystem, die uns bestreiken. Angemessene Therapien gibt es keine; über die Ursachen der Krankheit ist bis heute noch immer viel zu wenig bekannt. Außer, dass die Symptome häufig nach Infektionskrankheiten beginnen – wie z.B. Covid-19. Keine Krankheit ist im Verhältnis zu ihrem Schweregrad so schlecht erforscht wie ME/CFS. Und das, obwohl vergleichbare Symptomatiken schon vor 200 Jahren geschildert wurden. 1934 kam es zu einem ersten epidemischen Ausbruch, immerhin seit 1969 führt die WHO ME/CFS als schwere neurologische Krankheit. [3] Warum noch immer die fehlende Anerkennung? Fehlende Behandlung? Die Herabwürdigung von Betroffenen? Das teilweise Leugnen und Bagatellisieren der Erkrankung und damit die Blockade von Forschungsförderung? Das hat viel mit einem System zu tun, das zutiefst patriarchal und sexistisch ist.
Zwei Drittel der Betroffenen von ME/CFS sind laut Studienlage cis Frauen. Transgender und inter Personen werden in aktuellen Überblicksstudien überhaupt nicht mal erfasst, deswegen kann ich mich hier leider nur auf binäre Daten beziehen. Wenn nun cis Frauen von Symptomen berichten, unter denen sie leiden – z.B. nach einer Covid-Infektion – wird das bis heute noch immer oft auf ‘die Psyche’ geschoben, womit gemeint ist: ‘das ist ausgedacht, eingebildet, übertrieben’. [4] Das gilt natürlich für viele Krankheitsbilder, und auch für ME/CFS hat es Tradition: Immer wieder wurden epidemische Ausbrüche von ME/CFS von Psychiatern als “Massenhysterien” stigmatisiert, 1984 sprach ein Virologe gar von einer “Erkrankung der depressiven, meno-pausalen Frauen” [3].
Cis Frauen sind also häufiger betroffen – und werden, wie sicher auch betroffene transgender und inter Personen, systematisch marginalisiert. Daraus folgt mindestens zweierlei: 1. Die Krankheit liegt weniger im öffentlichen und wissenschaftlichen Interesse. 2., Betroffene, die systematisch marginalisiert werden, haben es noch schwerer, an angemessene Versorgung zu kommen. Zum Beispiel bekommen cis Frauen ihre ME/CFS-Diagnose im Durchschnitt ein Jahr später gestellt als cis Männer. Natürlich erleben auch betroffene cis Männer Stigmatisierung, gaslighting und Unsichtbarmachung ihrer Erkrankung. Auch sie werden damit Opfer des Patriarchats. Das bedeutet letztlich für uns alle, dass wir lange Zeit überhaupt keine Hilfe bekommen, keine angemessenen Therapien oder sogar Therapien, die zu Verschlechterungen führen. Das heißt also: nicht nur keine Heilung, sondern noch schlimmere Symptome, wachsende Isolation, wachsende Verzweiflung! Und nicht einmal Kraft, das alles rauszuschreien…
In den vergangenen zweieinhalb Jahren habe ich all das selbst erlebt. Und frage mich: Was ist das für ein Leben? Ist das noch ein Leben? Manche von uns sagen, man kann sein Leben verlieren, ohne zu sterben. Ich kann verstehen, was sie meinen. Was gelten unsere Leben in der Welt, in der wir leben? Eine halbe Million Menschen verschwindet aus der Gesellschaft – und niemand bemerkt es? Es ist dieselbe Gesellschaft, die zu großen Teilen ignoriert oder sogar befürwortet, dass wir – das »Wir« der westlichen Gesellschaft – Menschen im Mittelmeer ertrinken lassen. Dass wir unseren ‘Wohlstand’ darauf aufbauen, dass wir Menschen und Ressourcen im globalen Süden ausbeuten. Dass wir Menschen mit Behinderung systematisch von gesellschaftlicher Teilhabe ausschließen. Dieselbe Gesellschaft, die nach kapitalistischer Logik immer wieder Unterschiede im Wert von Menschen macht – wer ein gutes Leben oder überhaupt ein Leben führen darf – und wer nicht. Warum wundert es mich, dass auch bei ME/CFS weggeschaut wird?
Mir ist wichtig, die Lage um ME/CFS als Teil dieser strukturellen Gewalt einzuordnen. All diese Diskriminierungen, all diese sogenannten ‘Krisen’ und all dieses Leid gehören zusammen. Und so zusammen gehören auch unsere Kämpfe.
Aber damit wir kämpfen können, brauchen wir euch. Deswegen ruf ich dazu auf: Informiert euch und sprecht über ME/CFS. Schaut auf unserer Website vorbei – die Adresse findet ihr auf den ausliegenden Flyern bei den Isomatten. Dort gibt es noch mehr Hintergründe, diesen Beitrag zum Nachlesen, einzelne Geschichten. Und kommt zu unserer Liegend-Demo in Jena am 10. Mai, 14:00 Uhr auf dem Holzmarkt. Leiht uns eure Ohren und eure Stimmen, damit wir mit euch kämpfen können! Auch wir wollen leben!